Vier Tage bleiben Thomas Kutschaty noch. Der Rechtsanwalt will für die SPD Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen werden. Kein Bundesland ist so wichtig für die Bundesregierung wie NRW. In den Umfragen liegen SPD und CDU nahezu gleichauf – Kutschaty setzte im Wahlkampf vor allem auf Bildungspolitik. Einen Vorteil sieht er außerdem in seinem engen Draht zu Olaf Scholz.
Thomas Kutschaty, Spitzenkandidat SPD »Ja, wir leben natürlich in schwierigen Zeiten. Es ist Krieg in Europa, das hätte man sich vor zwei, drei Monaten so überhaupt nicht vorstellen können, ein Landtagswahlkampf in Kriegszeiten in Europa zu führen. Das hat natürlich auch Auswirkungen und wichtig ist jetzt, dass man mit kühlem Kopf Deutschland auch sicher durch diese Krise führt, und da bin ich jetzt sehr dankbar, dass Olaf Scholz der Bundeskanzler ist und kein anderer.«
Rund 13 Millionen Wahlberechtigte sind am kommenden Sonntag zur Wahl des neuen Landtages aufgerufen. Die schwarz-gelbe Landesregierung wird ihre Mehrheit aller Voraussicht nach verlieren. CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst geht quasi ohne Amtsbonus ins Rennen. Er hatte sein Amt im Oktober 2021 von Armin Laschet übernommen und steht nun erstmals zur Wahl. Wüst hofft auf den Schleswig-Holstein-Effekt – dort hatte die CDU am 8. Mai einen klaren Wahlsieg erzielt.
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender / Berlin, 9. Mai 2022
»Das ist Rückenwind für uns als Bundespartei, aber es ist natürlich auch Rückenwind für Nordrhein-Westfalen. Nach der Wahl ist vor der Wahl.«
Rückenwind aus Schleswig-Holstein gab es auch für die Grünen. Sie erzielten in dem Bundesland ein Rekordergebnis und könnten in NRW ihren Stimmenanteil im Vergleich zu 2017 nahezu verdreifachen. Die wichtigsten Wahlkampfhelfer von Spitzenkandidatin Mona Neubaur: Annalena Baerbock und Robert Habeck.
Mona Neubaur, Spitzenkandidatin Die Grünen »Was wir machen als Grüne ist: wir stellen uns der Verantwortung in dieser neuen Realität, die Wladimir Putin mit seinem Angriffskrieg ausgelöst hat. Und wir stellen uns auch den schwierigen Fragen innerparteilich, aber auch als ein Ort in der Gesellschaft, der versucht, Orientierung und Halt zu bieten.«
Eine Landesregierung ohne die Grünen wird es wohl nicht geben – die Partei hält sich Koalitionsoptionen sowohl mit der SPD als auch mit der CDU offen. Auch eine Ampel wäre voraussichtlich möglich. Und die FDP? Die Liberalen dürften im Vergleich zu 2017 an Stimmen verlieren und müssen fürchten, in der Opposition zu landen. Spitzenkandidat und NRW-Familienminister Joachim Stamp hatte ganz andere Pläne.
Joachim Stamp, Spitzenkandidat FDP »Wir würden gerne die Zusammenarbeit mit der Union fortsetzen, weil wir hier gute Erfahrungen gehabt hatten. Wir hatten nur eine Stimme Mehrheit über fünf Jahre, haben nicht eine Abstimmung verloren. [...] Und jetzt gehts darum, dass wir die Landesthemen auch in den Mittelpunkt rücken. Es geht um eine Wirtschaft, eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik, dass wir sicherstellen, dass es keine neuen Schulstruktur-Debatten gibt, sondern die Kinder individuell gefördert werden.«
Egal, ob am Ende Landesthemen oder Weltpolitik entscheidend sind: Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen – auch »kleine Bundestagswahl« genannt – ist der erste große Stimmungstest für die Ampelkoalition auf Bundesebene.